Freunde, wie Gott sie schenkt – David und Jonathan

Was für eine Beziehung ist das wohl gewesen, dass der eine Freund beim Tod des anderen ein Trauerlied singt, in dem er sagt: „Deine Freundschaft war mir mehr wert als Frauenliebe!“? Ich glaube, es war C.S. Lewis, der einmal definiert hat: Verliebte schauen einander in die Augen. Freunde schauen miteinander in die gleiche Richtung.

Ich lasse jetzt mal Jonathan erzählen.

Als ich ihn das erste Mal sah, saß ich sozusagen auf der Zuschauerbank, und er war der Akteur. Er war jung, wie ich auch, und er war mutig für Gott. Er trat Goliath so furchtlos entgegen, als würde er sich jeden Tag mit Riesen anlegen. Aber ich spürte: Das war nicht nur jugendliche Risikobereitschaft, das war mehr. Er war sich so 100%ig sicher, dass Gott mit ihm war, dass man merkte: Die beiden kannten sich. Sie hatten ein enges Verhältnis. Er war ein Held, aber nicht weil er so stark war, sondern weil seine Beziehung zu Gott so echt und erprobt war. Die Liebe zu Gott und zu seinem Volk Israel, der Beschützerinstinkt, die Freude daran, etwas mit Gott zu wagen – das war genau das, was ich auch wollte, und was mich an ihm mächtig anzog. Das Wunder war, dass er dasselbe auch in mir erkannte, und so schlossen wir Freundschaft. Es war, als hätten wir ein gemeinsames Herz.

Wir beide wollten Verbindlichkeit. Wir wollten keine Freundschaft, die von unserer Tagesstimmung abhängen würde. Deshalb schlossen wir einen Bund. Als Zeichen für meine Ernsthaftigkeit gab ich ihm einige Dinge, die mir sehr wichtig waren: Mein Oberkleid, meinen Waffenrock, mein Schwert, meinen Bogen und meinen Gürtel. Ich sagte ihm dadurch auch, dass ich ihn als mir gleichgestellt betrachtete und nicht als armen Hirtenjungen.

Es gab nun ein Problem für unsere Freundschaft, und das war mein Vater. Mein Vater konnte Davids Erfolge nicht gut verkraften. Wenn nach einem Sieg im Kampf die Frauen auf den Straßen tanzten und sangen: Saul hat Tausende erschlagen und David Zehntausende!  – dann bohrte sich das Messer der Eifersucht in sein Herz. Er begann David zu hassen, und er wollte, dass ich das auch tue.

Ich konnte aber nicht neidisch auf David sein. Waren wir nicht wie Brüder? Wollten wir nicht sowieso dasselbe: Die Ehre Gottes und das Beste für sein Volk? War es nicht fast egal, wer von uns nun schlussendlich auf dem Thron sitzen würde? Und tatsächlich war ich mit Gott der gleichen Meinung, nämlich dass David dafür besser geeignet war.

David war so ganz anders als mein Vater. Nicht nur dass er ihn respektierte als den von Gott eingesetzten König, er liebte ihn auch als den Vater seines Freundes. Er hatte nie vor, einen Keil zwischen uns zu treiben, wie mein Vater es umgekehrt immer wieder versuchte. Dass mein Vater mich schließlich zu hassen begann und mich sogar in einem Wutanfall töten wollte, weil ich David ihm gegenüber verteidigte, dafür konnte David weniger als nichts. Er hat sich ihm gegenüber nie falsch verhalten.

Ich war übrigens nicht der einzige in der Familie, der David mochte. Meine Schwester Michal, die er dann auch heiratete, war total in ihn verknallt. Aber das machte meinem Vater nur noch mehr Angst um seine Position. Für ihn saß der Feind nun in seiner eigenen Familie. Er redete davon, dass er ihn umbringen wollte. Ich warnte David vor ihm und setzte sich bei meinem Vater für ihn ein. Ich versuchte, das falsche Bild, das er von David hatte, zu korrigieren. Es schien, dass ich ihn überzeugen konnte, dass David ihm nichts Böses wollte. Er versprach mir, ihm nichts zu tun.

Eine ganze Weile wohnte David bei uns, und mir schien, mein Vater habe sich mit David arrangiert und seine negative Einstellung aufgegeben. Dann gab es wieder einen Krieg, den David gewann, und der alte Hass flammte wieder auf. Als David bei meinem Vater saß und Musik machte, wollte ihn mein Vater in einem plötzlichen Ausbruch mit seinem Speer an die Wand spießen. David musste fliehen, und meine Schwester Michal half ihm dabei. Als mein Vater ihn verfolgte, griff Gott selber ein, und er gab auf. Und ich dachte wie immer zu logisch, die irrationalen Gedankengänge meines Vaters waren mir fremd. Ich dachte, ihm sei klar geworden, dass er weder gegen Gott noch gegen David etwas würde ausrichten können.

David sah die Sache klarer. Als ich ihn in Rama wieder traf, sagte er mir:“ Dein Vater will mich immer noch töten.“ „ Nein, gab ich zur Antwort, das glaube ich nicht, das wäre mir doch irgendwie aufgefallen. Mein Vater sagt mir eigentlich immer, was er vorhat. „

Aber David hatte Recht. Mein Vater hatte mir in Bezug auf David schon längst das Vertrauen entzogen. Um uns Klarheit zu verschaffen, beschlossen wir eine Art Test. Saul hatte ihn zum Neumondsfest eingeladen, aber er würde nicht kommen. Ich würde meinem Vater seine Entschuldigung präsentieren und sehen, wie er reagierte.

Was soll ich sagen? Die Sache ging nicht gut aus. Mein Vater beschimpfte mich auf übelste Weise. Er schrie mich an: „Du elender Bastard! Ich weiß genau, dass du zu diesem Sohn Isais hältst! Denn so lange er lebt, wirst du ganz sicher keinen Bestand haben, weder du, noch dein Königtum. Schick also hin und lass ihn zu mir bringen; ich bring ihn um!“

Ich konnte es einfach nicht verstehen. Ich versuchte noch zu argumentieren: „Warum? Was hat er dir getan?“ Als Antwort schleuderte mein Vater seinen Speer nach mir. Ich stürzte raus. Mir war der Appetit vergangen, und ich war einfach nur wütend. Den besten aller Männer, der ihm treu diente, der ihn immer respektiert hatte, obwohl er ein solcher Idiot war, den wollte er umbringen!

Ich sah ein, dass David um sein Leben rennen musste. Ich konnte ihn nicht schützen. Ich musste meinem liebsten Freund Adieu sagen und ahnte, dass ich ihn nie mehr sehen würde. Mir war auch völlig klar, dass Gott meinem Vater das Königtum entziehen würde. Damit auch mir, aber das machte mir nichts aus. David, das wusste ich, würde es gut machen. Ohne dass ich es wollte, stand ich auf der Seite seiner Feinde, weil ich Sauls Sohn war, mit dem ich so wenig gemein hatte.

073A.David and JonathanAn diesem schwarzen Tag lagen wir uns weinend in den Armen. Er hatte mir geschworen, dass, egal was kommen sollte, er weder mir noch meinen Kindern jemals etwas tun würde. Ich wusste, dass er es halten würde. Wir beide mussten akzeptieren, dass es der Weg Gottes war, dass wir uns trennen mussten.

Nachtrag von David: Wir haben uns nie mehr gesehen. In der Schlacht gegen die Philister im Gebirge Gilboa ist Jonathan an der Seite seines Vaters gefallen. Es war ein sehr schwerer Tag für mich, als ich davon erfuhr. Es war auf einmal weniger Liebe in dieser Welt. Denn wenn wir uns auch nicht mehr sehen und sprechen konnten, so wusste ich doch, dass sein Herz und seine Gebete die ganze Zeit mit mir gewesen waren, und nun war es vorbei.

 

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