Mama und ich……ein Herz und eine Seele.
Ich hatte so viel Vertrauen in sie – vielleicht mehr, als man in einen Menschen haben sollte.
Was haben wir uns eigentlich gedacht, wie die Sache ausgehen würde? Wir haben gar nichts gedacht, scheint mir, oder es war uns egal. Es ging um Alles oder Nichts. Und es eilte! Mama war überzeugt, dass Vater gerade dabei war, den Fehler seines Lebens zu begehen. Er hörte nicht auf sie, als sie ihm sagte, dass ICH der von Gott Bestimmte sei, dem der Segen zustünde. Er war sonst eher sanft und nachgiebig, aber in dem Punkt war ihr Reden für ihn Frauengewäsch – die Parteilichkeit einer Mutter für ihren Lieblingssohn.
Hatte sich nicht Esau immer als der “Mann” erwiesen, fähig, dieses Erbe zu sichern und zu verteidigen? Dass Esau überhaupt kein Gefühl für die Traditionen unsrer Familie hatte, hätte er eigentlich merken können. Ohne große Rücksprache mit den Eltern hatte er zwei einheimische Frauen geheiratet, die ihre eigene Lebensweise hatten und sich überhaupt nicht bei uns einfügten. Esau selbst war ständig draußen unterwegs, meist auf der Jagd, und Mama konnte sich mit ihnen herumärgern. Und sie ärgerte sich! Die beiden waren ihr zutiefst zuwider.
Mama war eine starke Frau. Sie packte zu und traf Entscheidungen ohne zu zögern. Sie schien immer zu wissen, was sie wollte und was zu tun war.
Das muss schon in ihrer Jugend so gewesen sein. Als mein Großvater seinen Knecht nach Haran schickte, um eine Braut für seinen Sohn zu suchen, beeindruckte sie ihn mit ihrer spontanen Hilfsbereitschaft, als sie am Brunnen alle seine Kamele tränkte. Ebenso fackelte sie nicht lange mit ihrer Entscheidung, dem Ruf zu folgen und meinen Vater zu heiraten. Silber, Gold und Gottesfurcht? Ihr war klar, dass ihr nichts besseres mehr passieren konnte, und sie brauchte genau eine Nacht, um alles hinter sich zu lassen, was bis dahin ihr Leben ausgemacht hatte und dem fremden Knecht ins Unbekannte zu folgen.
Sie musste es nicht bereuen. Vater war freundlich und zärtlich und nur zu dankbar für ihre weibliche Gesellschaft. Es fehlte ihr an nichts – außer an Nachwuchs für eine ganze Weile. Aber Gott erhörte die Gebete meines Vaters, und sie wurde schwanger mit Esau und mir.
Sie sagte oft, Esau und ich hätten schon im Mutterleib miteinander gekämpft.
Und das veranlasste sie, Gott in dieser Angelegenheit zu befragen. Sie war auch in ihrem Glauben sehr selbständig, und Gott nahm sie ernst und antwortete ihr.
„Zwei Völker wachsen in dir heran,“ sagte er ihr, „und der eine wird stärker sein als der andere. Und der Ältere wird dem Jüngeren dienen.“
Ich kann mich nicht erinnern, wann sie mir das erste Mal davon erzählt hat, und ich weiss nicht, ob Esau es wusste. Aber irgendwie bin ich damit aufgewachsen, dass der Segen Abrahams und Isaaks mir gehört, und ich fragte mich nur immer, wie es wohl funktionieren könnte, dass ich ihn auch tatsächlich bekäme.
Mamas Glaube war groß, aber er hörte da auf, wo ihre eigenen Ideen und Listen begannen. Heute, nachdem ich ihren Bruder kennengelernt habe und, ach!, mich selbst, weiss ich, dass uns das im Blut liegt.
Ja, Mama, ich bin dein Sohn im Guten wie im Schlechten.
Du hast mich glauben gelehrt- und du hast mich manipulieren gelehrt. Wir sind Sünder und Gesegnete. Kaum zu fassen.