Veganismus ist inzwischen nicht mehr nur etwas für eine abgehobene Randgruppe. „Vegan“ ist so sehr ein Verkaufsargument geworden, dass sowohl Fertiggerichte als auch Kosmetik- und Bekleidungsprodukte damit gelabelt werden. In Restaurants und Cafés werden regelmäßig vegane Gerichte angeboten – all das zeigt, dass der Veganismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Wie stehen wir als Christen dazu, oder besser gesagt, sagt die Bibel etwas dazu, und wenn ja, was?
Ehe wir die Frage beantworten können, brauchen wir eine korrekte Definition. Wer könnte uns die besser geben als die englische Vegan Society? Sie ist nämlich der Ursprung des Begriffs, der 1949 erstmals definiert und dann mehrmals neu gefasst wurde. Seit 1988 lautet die Definition so:
„A philosophy and way of living which seeks to exclude—as far as is possible and practicable—all forms of exploitation of, and cruelty to, animals for food, clothing or any other purpose; and by extension, promotes the development and use of animal-free alternatives for the benefit of animals, humans and the environment. In dietary terms it denotes the practice of dispensing with all products derived wholly or partly from animals.“
Quelle: https://www.vegansociety.com/go-vegan/definition-veganism
(Meine Übersetzung: „Eine Philosophie und Lebensweise, die danach strebt – soweit es möglich und praktisch umsetzbar ist – jegliche Art von Ausbeutung von oder Grausamkeit gegenüber Tieren für Nahrung, Bekleidung oder zu anderen Zwecken auszuschließen; als Folge davon unterstützt sie die Entwicklung und den Gebrauch tierfreier Alternativen zum Wohl der Tiere, der Menschen und der Umwelt. In Bezug auf Nahrungsmittel ist sie gekennzeichnet durch die Praxis des Verzichts auf alle Produkte, die ganz oder in Teilen von Tieren gewonnen werden.“)
Ein echter Veganer isst nicht nur kein Fleisch, sondern auch keine Milchprodukte und keinen Honig. Er trägt keine Lederkleidung und nimmt von zoologischen Gärten, Tierkämpfen, Jagd und natürlich Tierversuchen Abstand, weil auch da Tiere für den Menschen ausgebeutet werden. Das unterscheidet ihn vom Vegetarier.
Veganer sehen ihren Lebensstil als ethisch und gesundheitlich überlegen an. Zum gesundheitlichen Aspekt hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung eine kritische Stellungnahme herausgebracht. Aber was ist mit der Moral? Ist der vegane Lebensstil moralisch überlegen? Ist er christlich?
Die Philosophie des Veganismus beruht auf der Vorstellung, dass der Mensch ein „human animal“, ein menschliches Tier ist, das kein Recht hat, sich über die anderen Tiere zu erheben und sie auszubeuten. Sie geht damit wesentlich weiter als der „Tierschutz“, der z.B. artgerechte Tierhaltung und Vermeidung von Grausamkeit fordert.
Was sagt nun die Bibel über das Verhältnis von Mensch und Tier? Zunächst sind sie beide Geschöpfe Gottes. Dennoch sagt Gott gleich zu Anfang zu den Menschen:
Seid fruchtbar und vermehrt euch, und füllt die Erde, und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische des Meeres und über die Vögel des Himmels und über alle Tiere, die sich auf der Erde regen (1.Mose 1,28)!
Er weist also den Menschen eine Überlegenheit zu, verbunden mit einer Aufgabe und Verantwortung. Dann stellt er den Menschen alle Früchte und Kräuter als Nahrung zur Verfügung.
Dann kommt der Sündenfall. Der Mensch wird Gott ungehorsam – und Gott selbst führt das erste tierische Produkt ein: Er macht den Menschen, die erstmals Scham aufgrund ihrer Nacktheit empfinden, einen Schurz aus Fell. Dafür muss notwendigerweise ein Tier sterben.
Abel, der jüngere Sohn des ersten Menschenpaares, wird ein Schafzüchter und bringt von seinen Schafen Gott ein Opfer dar, das Gott, im Gegensatz zu dem Opfer seines Bruders Kain, der von den Früchten des Feldes geopfert hatte, zustimmend annimmt. Kain kann das nicht akzeptieren und bringt seinen Bruder um. Die Spirale menschlicher Sünde und Gewalt dreht sich immer weiter bis zur Sintflut. Noah und seine Familie sowie viele Tiere werden auf Anordnung Gottes gerettet. Gott ordnet an, dass Noah von einigen Tierarten mehr als ein vermehrungsfähiges Pärchen in die Arche bringt, damit Noah nach Beendigung der Flut etwas zum Opfern hat. Und Gott gibt explizit eine neue Anordnung bezüglich der Ernährung:
Furcht und Schrecken vor euch sei auf allen Tieren der Erde und auf allen Vögeln des Himmels! Mit allem, was sich auf dem Erdboden regt, mit allen Fischen des Meeres sind sie in eure Hände gegeben. Alles, was sich regt, was da lebt, soll euch zur Speise sein; wie das grüne Kraut gebe ich es euch alles. Nur Fleisch mit seiner Seele, seinem Blut, sollt ihr nicht essen (1.Mose 9,2-4).
Das ist ziemlich eindeutig eine Aufforderung, Tiere als Nahrungsquelle zu nutzen, und etabliert noch einmal deutlicher ein Machtgefälle zwischen Mensch und Tier.
So hatte im Alten Testament das Nutztier zwei Funktionen: als Nahrung und als Opfer. Im Neuen Testament wurden Tiere als Opfer nach dem Tod Jesu überflüssig, da er das vollkommene, ewig gültige Opfer gebracht hat. Es ist aber völlig klar, dass Jesus selbst noch das Passalamm gegessen hat. Genauso klar ist, dass die Bibel Vernachlässigung und Grausamkeit gegenüber Tieren nicht befürwortet:
Der Gerechte kümmert sich um das Wohlergehen seines Viehes, aber das Herz der Gottlosen ist grausam (Sprüche 12,10).
So weit, so gut. Aber gibt es nicht doch in der Bibel Beispiele von Menschen, die aus ethischen Gründen auf Fleisch verzichtet haben? Daniel z.B.? Er und seine Freunde weigerten sich, im babylonischen Exil von der Tafelkost des Königs zu essen und baten darum, sich nur von Gemüse ernähren zu dürfen. Das lag aber nicht daran, dass sie Fleisch generell ablehnten, sondern dass diese Tafelkost des Königs kultisch unrein war – vielleicht war es den Götzen geopfert worden, vielleicht stammte es von Tieren, die für sie als Juden nach dem Gesetz Gottes nicht gegessen werden durften. Diese Geschichte hat also nichts mit einer generellen Verwerflichkeit fleischlicher Kost zu tun. Parallelen gibt es auch im Neuen Testament, wo die Frage aufkam, ob Christen Götzenopferfleisch essen durften (1.Korinther 10,23-33). Auch die frühchristliche Gemeinde in Rom schlug sich mit diesem Problem herum, weil einige damit ein Problem hatten, Fleisch zu essen, das sie als kultisch unrein empfanden, andere aber nicht. Paulus ermahnt alle zu Toleranz und Rücksicht auf das Gewissen der Brüder und sagt:
Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist (Römer 14,17).
Wenn dein Bruder denkt, das Fleisch ist unrein, dann iss lieber nur Gemüse, auch wenn du selbst weißt, dass Gott nichts dagegen hat.
Also sollte ich jetzt aus Rücksicht auf und unter dem moralischen Druck der Veganer lieber kein Fleisch mehr essen, weil das ihr Gewissen belastet? Ich glaube nicht. Ich glaube vielmehr, dass wir jene Christen, die meinen, wir müssten vegan leben, über die unbiblischen Hintergründe aufklären müssen. Der Veganismus ist 1. ein direkter Angriff auf die biblische Schöpfungsordnung und beruht 2. auf einer Leugnung des Sündenfalls. Wir warten darauf, dass unter der Herrschaft Jesu in seinem Reich die durch den Sündenfall verdorbene Schöpfung wieder heil wird. Das ist durch keinen Weltverbesserungs-Shortcut zu erreichen.
Natürlich heißt das nicht, dass wir nicht darüber nachdenken sollten, wie viel und welcher Fleischkonsum sinnvoll ist, und wie wir vernünftig mit den Tieren umgehen können. Wir können die Tierzucht zur Zeit der Bibel sicher nicht mit unserer industriellen Tierzucht heute vergleichen. Aber die vegane Philosophie der Gleichberechtigung von Tier und Mensch lässt sich nicht in unseren Glauben integrieren.
Nehmt euch vor denen in Acht, die euch mit einer leeren, trügerischen Philosophie einfangen wollen, mit Anschauungen rein menschlichen Ursprungs, bei denen sich alles um die Prinzipien dreht, die in dieser Welt herrschen, und nicht um Christus (Kolosser 2,8).